Im Auge des Betrachters

Unser Resümee der 68. Berlinale

Clara Bahrs

Nun ist die Berlinale 2018 auch schon vorbei, ich bin zurück im verschneiten Trondheim und kann auf diese fantastischen zehn letzten Tage zurückblicken. Es war für mich eine der besten, wenn nicht sogar die Beste Berlinale seit langem, was nicht nur an ganz fantastischen, berührenden und inspirierenden Filmen lag, sondern vor allem auch an den ganzen Einblicken, die ich durch nähere Beschäftigung mit den Themen und Interviews mit Filmteams bekommen durfte. Und endlich mal zehn Tage frei für die Berlinale und den Tag um 09:30 Uhr im ZOO-Palast zu starten, was könnte es besseres geben? Die Berlinale 2019 kann auf jeden Fall kommen!

Johanna Gosten

Die 68. Berlinale ist vorüber und damit auch mein bisher liebstes Festival. Von der Filmauswahl über die Interviews bishin zu unserer schönen Gruppenzusammenstellung hat einfach alles perfekt für mich gepasst. Selbst die Entscheidung der Kinderjury entsprach meinen Wünschen - Supa Modo und Les Rois Mongols waren eindeutig meine Favoriten. Nach 26 Lang- und 29 Kurzfilmvorführungen heißt es nun für mich, mit der diesjährigen Berlinale abzuschließen, meine Akkreditierung und Programm im Schrank zu verstauen und freudig auf das nächste Jahr zu warten.

Klara Hirseland

Dieses Jahr konnte ich einen etwas anderen Einblick in die Berlinale bekommen. Zwar war ich wieder hinter der Kamera um die Berlinale Generation zu dokumentieren, aber dieses Mal nicht nur für unseren Blog sondern auch für die Sektion als Mitarbeiter. Es war eine tolle Erfahrung und große Motivation, auch wenn es noch stressiger war als sonst schon. Die Filmteams noch näher zu erleben und mitzubekommen wie sehr sie sich freuen, aber auch wie aufgeregt sie sind ist eine Ehre.
Für mich war die 68. Berlinale etwas anders, aber genau so magisch.

Liv Thastum

Diese Berlinale war wie immer eine bewegende, inspirierende und unverwechselbare Zeit.Von der Kinoleinwand in fremde Welten entführt zu werden, mit Filmemachern und Schauspielern angeregte Gespräche zu führen und die unverwechselbare Berlinale-Stimmung aufzusaugen – das macht das Filmfestival für mich aus! Meine Highlights: die vielen tollen Interviews, die ich führen durfte, Filme wie „Cobain“ und „Hendi va Hormoz“ und die schöne Zeit, die ich mit meinen Kollegen geteilt habe – denn nach all den Jahren hab ich sie sehr lieb gewonnen!

Mia

Ich konnte die diesjährige Berlinale leider nicht so sehr auskosten, dennoch war sie wieder ein absolutes Highlight!
Die Filme entführten mich in andere Welten und auch die Q&A's und die Gespräche mit den Filmemachern waren mehr als interessant.
Mein Dank gilt euch, denen die unsere Berlinale jedes Jahr verfolgen, dem Berlinale-Team (allen voran Timo) und last but not least dem fGR-Team! Wir sind so ein super kleines Team, eine kleine Berlinalefamilie und unsere "neuen", festen Teammitglieder passen super zu uns!
Also, bis zur nächsten Berlinale! ;)

Moritz Palma

Dieses Jahr haben mich leider nur wenige Filme des Generation-Programm der Berlinale überzeugt. Die Entscheidung über den besten 14plus Film der Jugendjury "Fortuna" konnte ich absolut nicht nachvollziehen. Filme wie "Cobain" oder "Les faux tatouages" waren wesentlich überzeugender und hätten meiner Meinung nach viel eher gewinnen sollen.
Jedoch waren die zehn Tage mit den anderen wunderbaren Reportern, wie immer, eine schöne und aufregende Reise in meist interessante Welten. Ich freue mich auf nächstes Jahr! :)

Sarah Gosten

Mit dem vorletzten Sonntag ist für mich mal wieder eine der wertvollsten Wochen des Jahres zu Ende gegangen. 9 Tage und 25 Vorstellungen später fühle ich mich auch durch die diesjährige Berlinale wieder unglaublich bereichert. Ob durch Ungerechtigkeit auf Grund von Korruption, grundlegende Lebensfragen im Versuch, sich selbst zu finden oder die Trennung von Geschwisterkindern in unruhigen Zeiten, hat mich diese Woche zutiefst berührt, erschüttert, aber auch mit Hoffnung zurückgelassen. Vor allem Supa Modo, Cobain, Dressage, Unicornio und Les rois Mongols werden noch lange in meinen Gedanken herumschwirren.

Vivien Krüger

Die diesjährige Berlinale war für mich mal wieder wie eine bunte Wundertüte. Es waren befremdliche, humorvolle, verwirrende und emotionsgeladene Filme dabei, die mich alle auf ihre eigene Art und Weise in ihren Bann gezogen haben. Neben dem poetischen Kurzfilm Playa war das Interview mit den beiden Hauptdarstellern von Les Faux Tatouages ein absolutes Highlight.

"Bei zu viel Kaffee gibt es dann kein Halten mehr"

Im letzten Jahr mussten wir miterleben, was es hieß, an Dagnys Stelle eine andere Pressekoordinatorin zu haben, mit der wir uns erst einmal arrangieren müssen. Als also klar wurde, dass es dieses Mal schon wieder einen Neuen in der Runde gibt, waren wir zugleich hoffnungsvoll, dass es besser werden würde als im Vorjahr, zum anderen aber auch vorsichtig skeptisch.
Doch schon bei den Vorbereitungen und ersten Absprachen mit Timo Weißberg merkten wir, dass wir uns keine Sorgen hätten machen müssen.
Nach einer Hetzjagd aus dem HKW zum Potsdamer Platz haben wir ihn in einer ruhigen Minute im Hyatt ein bisschen über seinen Job ausgefragt.

fGR: Puh, wir sind noch ganz außer Atem. Dabei haben wir uns fast schon gedacht, dass du hier gerade ganz entspannt bist und unser leichtes Zuspätkommen gar nicht so schlimm findest.
Timo: Das stimmt, jetzt gerade ist es recht entspannt. Ab morgen zieht es dann wieder an mit den Preisverleihungen, aber momentan geht es noch.

fGR: Erzähl mal, wie bist du überhaupt zu Generation gekommen? Hast du schon einmal bei der Berlinale gearbeitet oder ist das eine komplett neue Erfahrung für dich?
Timo: Ich komme aus Berlin und bin quasi mit Generation aufgewachsen, als es noch Kinderfilmfest hieß. Das war sozusagen meine Kinosozialisation. Ich hab dann hier in Berlin Philosophie und Geisteswissenschaften studiert. Nach dem Master hab ich auch schon im Gropius-Bau gearbeitet, also unter der Fittiche der KBB sozusagen, die ja auch die Berlinale trägt. Im Anschluss bin ich erstmal nach Frankfurt gegangen, um ein Pressevolontariat an der Kunsthalle Schirn anzutreten. Das ging etwa zwei Jahre, war also meine nachuniversitäre Ausbildung. Dann habe ich zehn Monate für die Documenta 14 in Kassel und Athen gearbeitet und mit einer Kollegin die deutsche Presse verantwortet. Zwar nicht im Filmkontext, der ist hier jetzt für mich neu, aber die Grundlagen der Pressearbeit sind ja überall ähnlich, deswegen hat sich das ganz gut ergeben. Ich habe mich dann ganz regulär auf diese Stelle beworben und nach einem tollen Vorstellungsgespräch wurde recht schnell klar, dass das hier eine tolle Sache wird.
Zwischen Documenta und Berlinale hatte ich einen Monat frei, das war als Pause auch mal nötig. Das war wirklich Wahnsinnsarbeit.

fGR: Und wie geht die Vorbereitung auf die Berlinale los?
Timo: Ich habe mich tatsächlich erst einmal mit meiner Vorgängerin auseinandergesetzt. Also mit der, die das hier länger gemacht hat.

fGR: Mit Dagny?

Timo: Genau, wollte ich gerade sagen, die dürftet ihr ja kennen. Dann habe ich mich noch mit anderen Pressekoordinatoren aus anderen Sektionen getroffen, die das Ganze schon länger machen und mir sagen konnten, an wen man sich für was wenden muss. Die Berlinale ist schließlich ein großer Apparat mit vielen Leuten, da ist die Arbeitsteilung schon sehr kleinteilig.
Das war im Dezember. Kurz vor Weihnachten haben wir die ersten Pressemitteilungen rausgegeben. Ich habe also im Dezember noch relativ viele Filme geguckt, das war auf jeden Fall schonmal ein sehr schöner Teil. Teilweise lagen die kleinen Texte dazu schon vor, teilweise musste ich die dann dazu schreiben.

fGR: Ach, also bist du dafür verantwortlich!
Timo: (lacht) ja, das bin ich wohl. Das war natürlich im Austausch mit unserem Programmbüro, die uns immer wieder Hinweise gegeben haben. Auch was den Stil angeht, der in bestimmten Sektionen der Berlinale gepflegt wird.
Im Januar ging es mit der Vorbereitung der zweiten Pressemeldung los. Da fragen die ersten Journalisten dann auch schon nach online Sichtungsmöglichkeiten, um sich auf das Programm vorzubereiten. Es müssen viele Listen erstellt werden - davon kann meine Praktikantin auch ein Lied singen. Ihr habt ja zum Beispiel auch von mir die Liste mit den Presseagenten bekommen. Das ist noch so eine Sache. Man sammelt die letzten Materialien der Filmteams ein, Filmausschnitte für TV-Beiträge etc.. Außerdem gilt die Empfehlung an jedes Filmteam, sich für größtmögliche Aufmerksamkeit einen Presseagenten zuzulegen. Wir können ja nicht jeden Film selbst promoten. Das machen die meisten inzwischen auch.
Darauf folgen die ersten Anfragen, wann die Filmteams in der Stadt sein werden, und wir sprechen uns gut mit dem Guest Management ab. Man kommuniziert viel mit den bereits feststehenden Presseagenten. Dann muss man hier und da noch ein wenig Druck machen. Das gehört auch dazu, schließlich sind viele Filme kurz vorher noch in der Postproduktion. Bei Supa Modo waren die beispielsweise noch eine Woche vorher in der Farbkorrektur. Das ist natürlich sehr auf Kante genäht, aber bei so vielen Weltpremieren ist das ja vorprogrammiert. Die Zusammenarbeit funktioniert aber super und alle helfen sich gegenseitig. Da wird dann immer ein bisschen nachgebohrt bei denjenigen, die nicht ganz pünktlich sind, und dann klappt das auch.

fGR: Und wo treibst du dich während der Berlinale herum? Kommst du viel zum Filmegucken oder bist du eher weiterhin mit der Kommunikation mit den Filmteams beschäftigt?
Timo: Wir sind definitiv viel mit den Filmteams beschäftigt. Eigentlich haben wir ja in der Glasspitze unsere Büros, da habe auch ich noch von Dezember bis letzten Dienstag gesessen. Jetzt sitzen wir hier im Pressezentrum im Hyatt, da kommen auch viele Journalisten, Filmemacher, PR-Agenten direkt zu uns und man kann Sachen face-to-face klären. Dann machen wir manchmal sogenannte Protokoll-Meetings, in denen wir klären, wie wir die Premiere bestmöglich gestalten, auch was das Aufstellen für gute Fotos angeht. Außerdem werden nach den Q&As die Interviews eingetaktet. Da sind dann auch immer unsere Kinobetreuer dabei. Mit denen gucken wir auch, wer aus dem Filmteam überhaupt letztendlich in der Stadt ist, da kommt es auch immer noch spontan zu Absagen, falls beispielsweise etwas terminlich oder mit einem Visum nicht geklappt hat. Die ist unser Guest Management immer gut beschäftigt, auch mit den Botschaften.
Ach, und zu der Frage, wo ich mich so herumtreibe. Hier am Potsdamer Platz ist unsere Base. Hier beantworte ich vor allem Emails und nehme Telefonate entgegen. Man kommt aber auch viel zu den Interview dazu, um die Leute einander vorzustellen. Zur Not schaltet man da noch das Guest Management ein, aber ich habe schon versucht, zu allen Premieren der Filme da zu sein, die keinen PR-Agenten haben.
Zum Filmegucken komme ich leider nicht so. Zeit hätte ich dafür höchstens vormittags und selbst da würde ich glaub ich eher wie auf heißen Kohlen sitzen und alle fünf Minuten auf mein Handy gucken, um nichts Wichtiges zu verpassen.

fGR: Vermisst du das? Vor allem als ehemaliger Berlinalezuschauer?
Timo: Wir haben nach der Berlinale als Mitarbeiter nochmal die Möglichkeit, zu kleineren Screenings zu gehen, aus genau diesem Grund. Aber es ist natürlich eine andere Atmosphäre, wenn man mit dem Publikum im Kino sitzt. Ich habe das aber dieses Jahr nicht soo sehr vermisst. Dadurch, dass ich für Generation die Filme zuhause vorsichten konnte. Die Atmosphäre fehlt dann zwar, aber man erlebt sie ja doch auf eine andere Art und Weise und auch sehr intesiv.

fGR: Hattest du schon ein Highlight dieses Jahr? Und welche Arbeitsphase gefällt dir am besten?
Timo: Die einzelnen Phasen waren alle spannend. Aber man merkt, dass wenn der Potsdamer Platz sich langsam belebt, die ersten Plakate hängen, sprich das Festival sich nähert und man die Leute endlich kennenlernt, mit denen man vorher so viel geschrieben und telefoniert hat, dann ist das das Schönste. Bei so etwas wie unserem Empfang am Montagabend mit anschließender Generationparty ist es wirklich fantastisch, alle mal auf einem Haufen zu sehen.

fGR: Hast du denn schon einen heißen Favoriten?
Timo: Da halten wir uns natürlich sehr zurück (zwinkert). Spaß beiseite, wir haben wieder ein wirklich tolles Programm, da kann ich einfach mal ein paar rausgreifen. Kissing Candice ist ein toller Film. Ästhetisch und musikalisch großartig, einer der Filme, die mir auch im Gedächtnis bleiben werden. Virus Tropical ebenfalls stark gemacht. Güvercin - ein sehr sensibles Portrait dieses jungen Mannes. Die Atmosphäre ist wunderbar eingefangen. Natürlich ist es auch eine tragische Geschichte, wie so häufig bei uns im Programm der Fall.
Im KPlus Programm definitiv Supa Modo. Obwohl der auch die schwierigen Seiten des Lebens beleuchtet, ist er wahnsinnig positiv. Am Ende kam bei der Premiere ja auch die Frage, warum die Protagonistin denn sterben musste, und ich persönlich habe das, wie der Drehbuchautor auch meinte, nicht als schlechtes Ende empfunden, sondern einfach sehr realistisch und ehrlich, fast schon ein Happy End. Auch eines meiner Highlights.

fGR: Wie ist das denn unter der Woche - weißt du jeden Tag, was dich erwartet, oder läuft alles eher spontan ab?
Timo: Es gibt viele eingetaktete Termine - Interviews und Premieren stehen schon fest, klar. Aber man bekommt schon zwischendurch immer wieder mal einen Anruf, dass jemand doch noch irgendwen interviewen möchte, dann versucht man eben, das zu ermöglichen. Dann fährt man mal eben zum Zoopalast und bringt die beiden zusammen. Ich würde sagen, das ist 50:50, es kommen immer spontane Dinge dazwischen, bei denen man schnell reagieren muss und sollte. Man versteht sich ja schon als Vermittler zwischen den Leuten die „Kunst machen“ und den Leuten, die das an die Öffentlichkeit tragen wollen, wie ihr zum Beispiel.
Unsere Sektionsleitung ist jetzt auch krank geworden und möchte zur Preisverleihung wieder gesund sein, da müssen auch mal Interviews verschoben werden. Aber vor allem dafür, dass das meine erste Berlinale war, lief alles bisher sehr gut. Die Kommunikation und Pressearbeit macht mir eben auch viel Spaß.
Ich würde das auch gerne im nächsten Jahr nochmal machen und hoffe, in der Zwischenzeit in Berlin bleiben zu können.

fGR: Fährst du auch schön mit dem Fahrrad überallhin?
Timo: (lacht) Gute Frage. Ich fahre eigentlich sehr gern und viel Fahrrad, bin letztendlich aber eine echte Frostbeule und habe letztens meine Handschuhe verloren - großes Drama. Deshalb bin ich während des Festivals nicht so viel gefahren. Das geht auch ganz gut, da hier am Potsdamer Platz der Hauptsitz ist und die Kinos auch ganz gut zu erreichen sind. Zum HKW ist man in einer Viertelstunde rübergelaufen. Ich bin also viel gelaufen. Beim Festival sitzt man eben nicht nur rum und hütet das Büro.

fGR: Kannst du auch schon ein Fazit ziehen, ob alles so ist, wie du es dir vorgestellt hast?
Timo: Mit den Interviews hat eigentlich alles geklappt. Die Feedbacks von den Filmemachern, die ich bisher bekommen habe, waren positiv bis überschwänglich, das erfreut natürlich zusätzlich. Wenn ich jetzt ein Fazit ziehen müsste, wäre es tatsächlich fast zu 100% positiv.

fGR: Und wenn du die Filmteams für Interview anfragst, wollen die dann auch unbedingt welche geben oder gab es auch ein paar, die eher meinten „Nee, lass mal“?
Timo: Die wollen unbedingt! Wir fragen natürlich immer erstmal, bevor wir ein Interview zusagen, und ich habe noch nie eine Antwort bekommen „Das geht jetzt aber nicht“ oder „Da habe ich keine Lust drauf“. Eher ganz viel „Yeaaah! Absolutely!“
Wir hatten nur einmal ein Problem. Da hatten wir eine Anfrage von der BBC für einen unserer iranischen Filme. Das ist ein sehr sensibles Thema, weil bei so großen Medien die staatlichen Zensurstellen ein starkes Auge drauf haben. Da gab es dann schon einmal das Problem nach einem Interview mit der BBC, dass die wieder eingereist sind und ihnen die Pässe abgenommen wurden. Deswegen muss man manchmal sagen: Okay, kleinere Sachen sind in Ordnung, aber so etwas können wir nicht bedienen.

fGR: Hast du schon eine Idee, wo du nach der Berlinale Unterkommst? Mit so viel viel Leerlauf muss man sich ja auch nach etwas anderem umgucken.
Timo: (lacht) sollte man. Ich bin auch nicht gut darin, längere Zeit tätigkeitslos herumzusitzen. Es gibt viele temporäre Kulturveranstaltungen, auch von der KBB selbst. Da hoffe ich noch unterzukommen. Ich werde mich auf verschiedene Sachen bewerben. Wenn es etwas Längerfristiges wird, muss ich gucken, ob ich diesen Job zwischenzeitlich einbauen kann. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich das also noch nicht so genau sagen, es bleibt aber auf jeden Fall spannend.

fGR: Was passiert nach der Berlinale noch?
Timo: Es gibt noch ein wenig Nachbereitungszeit bis etwas Mitte März. Da gibt es vor allem Nachbesprechungen. Die Hauptarbeit macht dann das Erstellen der Pressespiegel aus. Wir clippen während des Festivals schon alles, was irgendwie läuft. Dafür haben wir ja auch eine Clipping- bzw. Pressespiegel-Abteilung, die die Gesamtberlinale clippt. Da ziehen wir uns als Generation aber ein bisschen raus und schauen selbst nochmal drüber. Von vielen Journalisten bekommen wir ja auch direkt die Belegexemplare gesendet.
Damit beschäftigen wir uns dann hauptsächlich.
Nach dem Festival ist das auch ganz nett zum Herunterkommen. Dann sieht man auch, was eigentlich für Artikel erschienen sind, was wir für Presse gehabt haben. Das meiste kriegen wir zwar am Rande irgendwie mit, aber man hat nie die Zeit, sich schon während des Festivals hinzusetzen und alles durchzulesen.

fGR: Bei wie viel Kaffee bist du am Tag?
Timo: Das schwankt ein bisschen. Wir haben hier ja auch diese tolle Espressomaschine. Sobald ich ins Büro komme, trinke ich einen, und im Laufe des Tages können es schonmal vier Stück werden. Viel mehr aber auch nicht. Sonst werde ich auch zu hibblig. Ich habe eh schon den Hang, schnell zu reden, und bei zu viel Kaffee gibt es dann kein Halten mehr.

Johanna: Das ist mir gestern erst passiert. Ich kam dann nicht mal mehr zum Kaffee trinken!
Timo: (lacht) so geht es mir dann genauso.
Johanna: Schlafen kann man ja aber auch danach machen, oder?
Timo: Auf jeden Fall. Schlafen kommt danach. Das ist bei mir auch fest für den März eingeplant. Gestern bin ich aber mal früher gegangen, da habe ich mich 7 Stunden schon eine gute Mütze Schlaf gekriegt und jetzt geht es wieder.

fGR: Wann musst du denn immer hier sein?
Timo: Wir öffnen hier um 9.00 Uhr, aber wir haben ja an der Rezeption die Leute, die den Erstkontakt mit den Journalistinnen und Journalisten pflegen. In den ersten Tagen waren wir dann aber auch selbst gegen 9 Uhr da. Ich hatte häufig so früh schon einen Termin und wenn um 10 Uhr Premiere im HKW ist, ist man eben Viertel nach Neun da für die Vorbesprechungen und Treffen mit den Filmteams.

fGR: Und was ist das Letzte, das du am Tag tust?
Timo: Nachmittags sind wir hier immer für ein paar Stunden, aber dann geht es meist rüber ins HKW zu den Abendpremieren. Dann passt man auf, bis alle im Kino sind, und setzt sich dann in die Lounge und quatscht mit Kollegen - eine kleine Verschnaufpause sozusagen. Dann wartet man, bis die Q&As vorbei sind. Manchmal setze ich mich da noch mit rein oder auch direkt in den ganzen Film, weil die wie gesagt auf der großen Leinwand immer nochmal anders wirken, zum Beispiel bei Unicornio. Danach hat man meistens noch etwas zu koordinieren und geht im Anschluss auf irgendeine Party oder aus dem HKW nach Hause. Meist ist das HKW unsere letzte Station des Tages.

Wir unterhalten uns noch etwas über die Qualität der Sitze in den unterschiedlichen Kinos und über unsere weiteren Pläne für den laufenden Tag, dann bedanken und verabschieden wir uns bei Timo, holen uns einen weiteren Kaffee und brechen auf zum HKW.
04.03.2018, Johanna Gosten

Kurzfilme 2



Kiem Holiander
Der diesjährige Gewinner der Jugendjury führt uns in eine bedrückende und berührende Welt zweier Brüder, die versuchen gegen die Armut anzukämpfen. Alles Geld, was sie zum Beispiel durch Milch austragen erarbeiten, soll an die Familie gehen, obwohl der 13-jährige Andi viel lieber ein eigenes Handy hatte. Er und Florist teilen sich ein kleines Zimmer und stehen sich durch die Armut sehr nahe, der Film fängt mit tollen Einstellungen das unausgesprochene, zwischenmenschliche der beiden auf. Man fühlt sich als Zuschauer gradezu zwischen den beiden und kann die Gefühle beider spüren, aber auch die gegensätzlichen Wünsche und Ziele, die die Familie auseinander zieht. Ein sehr berührender Film, der meiner Meinung nach den gläsernen Bären auf alle Fälle verdient hat!

Premier Amour
Lamiche und ein junges Mädchen, die seine Freundin zu sein scheint und dessen Name das Publikum nicht erfährt, müssen sich heimlich am See treffen um ihre Liebe ohne Angst auszuleben, denn die Familien gehören unterschiedlichen Klassen an und über ihre Köpfe hinweg werden wirtschaftliche Entscheidungen getroffen, die den gemeinsamen Weg nicht leichter machen. Es wird nicht sonderlich viel gesprochen, der Film überzeugt mit starken Naturaufnahmen französischer Wälder, die einen Kontrast zum unverschönten und kalten Alltag in der Kleinstadt bilden. Zwar braucht man eine kurze Zeit, um in die Geschichte des Filmes zu finden, er entwickelt sich aber mit Spannung zu einem dramatischen Finale mit einem etwas offenem Ende, durch das man in den Film hineingesogen wird.

Na Zdrowie
Abstrakt gezeichnete, bunte Figuren und Formen, die Menschen und eine Stadt zu veranschaulichen scheinen. "Na Zdrowie" - zu deutsch "Gesundheit" - zeigt mit ungewöhnlicher Animation wie sich Keime durch Niesen unter den Leuten verbreiten. Fünf Minuten lang sieht das Publikum wie die Figuren und Formen ineinander übergehen, sich vervielfältigen und von anderen verschluckt werden. Was einem beim Schauen zuerst nur lustig und unverständlich erscheint, ist eine durchdachtes Bild, das die Enge und gleichzeitig Ferne im Umgang miteinander behandelt und dem Zuschauer vielleicht Anregung geben soll, auch wenn die meisten eher belustigt den Film hinter sich lassen.

Juck
Ein dokumentarischer Einblick in die schwedische feministische Bewegung Juck, die von einigen Mädchen gegründet wird und für alles steht, was Weiblichkeit ist. "Weiblichkeit ist ein Wort, was wir mit allem füllen können, was wir wollen", sagen sie selbst - und leben das vollkommen aus. Gegen Klischees, Ordnung und alles, was Frauen von der Gesellschaft vorgeschrieben bekommen zu seien, ankämpfend, verbreiten sie mit Natürlichkeit und etwas Extremität ihre Stimme und Ziele: Frauen so sein lassen, wie sie es wollen. Mit rhythmischen und lauten Beats stellt "Juck" die Mädchen einzeln und die Bewegung vor und reißt das Publikum mit. Ein fantastischer Film, der die Preise auf jeden Fall verdient hat und zum Denken und Bewegen anregt. Wie dem Publikum vermittelt wird: Alles ist Juck, Du bist Juck, alle sind Juck! Unbedingt mehr davon bei der Berlinale!

03.03.18, Clara Bahrs

Das Mahlwerk der Anpassung

For English Version

Ein Interview mit der Regisseurin und dem Produzenten von Güvercin

Nachdem wir den türkischen Film Güvercin erst am zweiten Samstagabend der Berlinale hatten sehen können, wussten wir es sehr zu schätzen, dass das Filmteam – leider mit Ausnahme des Hauptdarstellers - noch vor Ort war. Dank der höchst engagierten Pressesprecherin Lena hatten wir noch einen Interviewtermin für den letzten Nachmittag, den Sonntag, festlegen können und so setzten Liv und ich uns nach dem finalen Screening im CinemaxX noch für eine halbe Stunde mit der Regisseurin Banu Sıvacı und Produzenten Mesut Ulutaş zusammen. Beide waren sehr offen und durch die Übersetzungsleistung Mesuts kam es zu einem aufschlussreichen Gespräch.


fGR: Da Güvercin Ihr erster Spielfilm ist, ist Ihnen die Thematik sicherlich sehr wichtig. Was hat Sie dazu inspiriert?
Banu Sıvacı: Mein erster Inspirationspunkt lässt sich an einem Vogelzüchter, den ich in meiner Kindheit häufig gesehen habe, festmachen. Ich komme ursprünglich aus Adana, der Stadt, in der auch der Film spielt. Dort gibt es diese speziellen Menschen, die Taubenzüchter, recht häufig, wodurch sich auch ein großer Teil meiner Inspiration aus meiner Kindheit speist.
Die Vogelzüchter lassen sich vor allem in ärmeren Gegenden finden, sowohl in Städten als auch in ländlicheren Regionen. Tatsächlich, wie Produzent Mesut an dieser Stelle ergänzt, soll es wohl auch mehrere Vogelzüchter in Berlin geben, wie ein Taxifahrer ihnen erzählt hatte. In Städten sei es einfach, einen kleinen Unterschlupf mit einem Dach zu finden. Viel mehr sei zum Halten der Tiere gar nicht notwendig.
Im Sinne des Films stehen die Tauben für die außergewöhnlichen Träume der Menschen, deren außergewöhnliche Geduld und die Freiheit.

Ihr Film handelt von einem jungen Mann, der nicht in sein Umfeld passt. Sie haben sich dafür entschieden, keine weiteren intimen Beziehungen als die zu seinen Tauben darzustellen. Wieso?
Dafür gibt es eine Untergeschichte, auf die wir im Film nicht weiter eingehen. Tatsächlich wurden Yusuf die Vögel von seinem Großvater vererbt. Da seine beiden Eltern verstorben sind, sind die Tauben die einzige Verbindung, die noch zu der Erinnerung einer glücklichen und vollständigen Familie besteht. Bruder und Schwester können ihm nicht das geben, was die Eltern sonst für ihn gewesen wären. Das Dach mit seinen Vögeln ist sein Rückzugsort von dem Fehlen eines Sinns in seinem Leben, er fühlt sich dort oben wohl, mag die Höhe und den Abstand von anderen. Zusätzlich traut er es niemandem sonst zu, sich um die Vögel zu kümmern, bedeuten sie doch alles für ihn.
Hierzu muss ich aber sagen, dass Yusufs Verhalten nicht das typische Verhalten eines türkischen Mannes wiederspiegelt. Normalerweise sind die Jungs eher Machos, arrogant oder Draufgänger. Wir haben unseren Hauptcharakter bewusst anders aufgestellt, was ihn auch vor eine andere Herausforderung stellt: die Herausforderung, ein Mann zu werden (oder was andere von einem Mann erwarten).

In Ihrem Film kritisieren Sie außerdem die schlechten Arbeitsbedingungen, denen wehrlose Arbeiter ausgesetzt sind unter dem Druck ihre Familie ernähren zu müssen. Wie gliedert sich das in den Film ein?
Das ist natürlich ein Problem, dass es überall auf der Welt gibt, aber in Adana ist das leider sehr üblich. In meiner Kindheit habe ich das häufig miterlebt und vor allem auch, dass Jugendliche solchen Umständen ausgeliefert sind. Es passt zu meinem Film, weil es eine weitere Herausforderung auf dem Weg zum Mannwerden ist. Man muss auch hart arbeiten können. Das ist die erste Aufgabe, der sich unser Protagonist stellen muss.

Dies ist das Stichwort für unsere nächste Frage: Die Worte „No pain, no gain“ (zu deutsch: Ohne Fleiß kein Preis) fallen sehr häufig. Nun sind das natürlich nur die englischen Untertitel, aber können Sie uns erklären, wo das herkommt und was genau es bedeutet?
Wir finden, dass das tatsächlich eine ziemlich clevere Übersetzung für das türkische „Çalışmayana para yok” ist, was auch so in Dialogen häufig gebraucht wird. Die direkte Übersetzung ist, „Für den, der nicht arbeitest, gibt es auch kein Geld“, was es so aber im Englischen nicht gibt. Die Aussage von „No pain no gain“ kann aber durchaus auf Yusuf projiziert werden, weil er auch daran glaubt, dass er hart arbeiten muss, da es sein Bruder ihm so vorlebt. Diese Worte treffen also genau die zugrunde liegende Geschichte, ein Mann zu werden.
Außerdem wollte ich das Thema vom Arbeiten miteinbeziehen, weil es mir wichtig ist zu verdeutlichen, dass man, wenn man anfängt zu arbeiten, auch etwas von sich selbst verliert. Wenn man einen Traum hat und beginnt zu arbeiten, muss man zwangsläufig seinen Traum aufgeben – zumindest einschränken -, wenn man durch das Mahlwerk der Anpassung getrieben wird.
Die Gesellschaft erlaubt es Yusuf nicht, seinen Traum zu verfolgen. Er verbraucht nicht allzu viel, isst nicht zu viel, ihm geht es gut. Warum kann man es nicht einfach dabei belassen?
Aber nein, er soll ein Mann werden. Wir bedrängen ihn, arbeiten zu gehen, Geld zu verdienen und seine Vögel zu verkaufen, da Vogelzüchten als Krankheit angesehen wird. Ich wollte darstellen, wie schnell einen die Gesellschaft unter Druck setzt.

Zum Thema von Träumen und dem Druck der Gesellschaft: Wie sieht die Situation von Filmemachern in der Türkei aus? Mussten Sie schon Träume aufgeben?
Wenn man sich in diese Situation begibt und Regisseurin werden möchte, gerät man in die gleiche Situation wie unser Hauptcharakter. Du hast einen Traum, aber genauso gibt es einen Traum deiner Eltern, Freunde und Verwandten und diese Träume müssen nicht alle gleich geschweigedenn kompatibel sein.
Der Anfang ist am schwersten, gerade zu entscheiden, dass man sich jetzt wirklich an einem eigenen Film versuchen möchte. In der türkischen Filmindustrie ist es sehr schwer Geld zu verdienen, wodurch es leider nicht der sicherste Job ist. Außerdem fühlt es sich manchmal wie ein leerer Traum an, da ich immer die Unterstützung und Genehmigung vom Kulturministerium brauche, um überhaupt Fördermittel zu erhalten, ohne die die Produktion eines Films undenkbar wäre.
Wie dem auch sei, Güvercin wird dann im März auf dem Sofia Film Festival gezeigt und auch andere Filmfestivals sind interessiert. Darüber sind wir natürlich sehr glücklich.

Der Film ist sehr visuell und lebt eher von Situationen und der Atmosphäre, die geschaffen wird, als einem überladenen Handlungsstrang. Warum haben Sie sich für diese Art der Darstellung entschieden?
Ich wollte nicht einfach nur eine Geschichte erzählen, ich wollte auch, dass das Publikum es fühlt. Dafür muss man sich dem Schaffen einer besonderen Atmosphäre bedienen, da andere Sinne wie der Geruch unmöglich angesprochen werden können. Es ist also in meinen Augen wichtiger, die Dinge zu hören, als sie zu sehen und dementsprechend einen großen Fokus auf die Geräusche zu legen.

Das stimmt. Gerade vom Filmanfang sind uns die Geräusche der flügelschlagenden Vögel noch gut in Erinnerung. Mussten Sie sich besonders auf den Dreh mit den Vögeln vorbereiten, um eben diese Geräusche und die Tauben in ihrer natürlichen Umgebung am besten einzufangen?
Wir hatten tatsächlich den eigentlichen Vogelzüchter – Vogeltrainer um genau zu sein – mit an Set. Ihn hatten wir immer hinter der Kamera stehen, um die Vögel mit den gleichen Bewegungen wie im Film gezeigt anzulocken. Zu Beginn der Dreharbeiten war das aber ziemlich schwer, da die Vögel sich noch nicht an die schwarze, reflektierende Box der Kamera gewöhnt hatten und ihr nicht trauten. Die ersten paar Male haben sie sich daher nicht nah genug herangewagt und wirkten auch nicht entspannt genug. Also führten wir die Kamera gemächlich in Umgebungen ein, in denen sie sich wohlfühlten, bis sie sie schließlich gänzlich akzeptierten.
Maverdi, Yusufs Lieblingstaube, haben wir tatsächlich seit sie 2 Monate alt ist dabei, sie wurde also im Verlauf der Entstehung des Films mit großgezogen. Die Szenen zwischen ihr und Yusuf sind für mich am wertvollsten, da das einfach nur die innige Zuneigung zwischen den beiden wiederspiegelt. Kemal ist wirklich ein großartiger Schauspieler und guter Freund. Ich mag es sehr, mit ihm zusammenzuarbeiten.

Güvercin ist auffallend in bläulichen Farben dargestellt. Warum ist das so?
Ihr seid tatsächlich die ersten, die mich darauf ansprechen! Ich habe einen Abschluss in den Bildenden Künsten mit dem Schwerpunkt Malerei gemacht. Das hat mich so geprägt, dass ich meine Erkenntnisse gerne nutzen wollte. Daher: Bläulicher Hintergrund um im Vordergrund dann warme Hauttöne oder zum Beispiel Rottöne zu nutzen, um einen stärkeren Kontrast und mehr Tiefe zu schaffen. Aber blau ist tatsächlich auch meine Lieblingsfarbe.

Nachdem wir noch ein gemeinsames Foto geschossen haben, verabschieden Liv und ich uns nun und machen uns auf den Weg in den letzten Film der diesjährigen Berlinale, das aufschlussreiche Gespräch noch im Hinterkopf.


01. März 2018, Sarah Gosten



“When you start working you lose something of yourself”

An Interview With the Director and Producer of Güvercin

Having watched Güvercin on Saturday evening we were lucky that the film team was still in Berlin on the last day of the Berlinale. Thanks to their press officer Lena who was truly dedicated Liv und I managed to sit down with them after their final screening on Sunday in the CinemaxX. The main actor, Kemal Burak Alper, having already departed we had an eye-opening conversation with the director Banu Sıvacı and her producer Mesut Ulutaş who had agreed to translate her answers, every now and then adding something for himself.


fGR: As Güvercin is your first feature film we can guess that it is of most importance for you. So, what was your inspiration for this first movie of yours?
Banu Sıvacı: The first point of my inspiration was a bird breeder I used to know in my childhood. I used to live in Adana, the city I show in the film. I was born there. In this area of Turkey you can actually find this special type of men, so a lot of inspiration for my film came from the experiences I made as a child.
Pigeon breeders can especially be found in poorer areas. However, you can also always find them in cities and urban environment. As a matter of fact, adds producer Mesut Ulutaş to his translation, did a cab driver tell them that even a few bird breeders exist in Berlin. In city areas it is rather easy to find a small cage and a roof where you can keep the birds and that is all you need to start.
In the sense of the film the pigeons stand for mankind’s extraordinary dreams, extraordinary patience and freedom.

Your film is about a young man who seems to be out of place. You chose to not portray any other intimate relationships to humans, only those to the birds. Why did you decide so?
There actually is an underlying story to it. The birds have been passed on to Yusuf from his grandfather. As his parents have passed away – which we do not further explain in the film – these pigeons display the only connection to his parents and his grandfather. His brother and sister both cannot raise him the way a father and mother would have. The rooftop with the birds is his refuge from the lack of meaning in his life, as he feels safe up high. He also does not trust anyone else to care for the birds as they mean so much to him.
Yusuf’s behaviour is not how a typical Turkish man would behave. Turkish men are machos, arrogant, show themselves as hooligans etc. So we are placing our character completely different. This also imposes another challenge on him: The challenge of being a man.

You also criticize the bad working conditions people have to commit to in this small town since they do not have any other possibility of earning enough money for their families. How did this come into place?
That is the problem of the whole world but especially in Adana it is rather common. In my childhood I had to see many examples of that and also that young people had to work in very unsafe conditions. This actually is one of the challenges of being a man: You have to work. It is the first challenge Yusuf has to face.

Speaking of working: The saying “No pain no gain” is repeated multiple times in the film. We don’t know what it means in Turkish but does this saying actually exist and what does it mean and where does it come from?
We think it is quite a clever translation of our saying “Çalışmayana para yok” which we also use in normal dialogs. The direct translation is “There is no money for someone who does not work” but in that sense it does not exist in the English language. “No pain no gain”, however, somehow can be attributed to Yusuf as he also believes that he has to work due to his brother telling him so. So, the saying “No pain no gain” is the slogan for the underlying story of having to work in order to become a man.
I also wanted to include the topic of having to work because I believe that if you have a dream and you start working you lose something of your dream and your soul, as you have to put yourself, metaphorically speaking, through a grinder, also in your artistic ways. The society does not allow our character to lead a different life than what is expected of him. He actually does not spend much, he does not eat too much, he is fine. Why can’t we leave him there? We push him by saying you have to be a man, you have to work, you have to sell the pigeons, as bird breeding is a sickness. I wanted to show how easily society can pressure you to be uncomfortable.

On the topic of dreams and losing them when starting to work, how is the situation of film making in Turkey? Did you have to give up on some of your dreams?
When you try to put yourself in the position of a director, trying to make a movie, the same situations happening to Yusuf happen to you. You have a dream but it is also somehow a dream of your parents and your friends and these dreams might be different.
Beginning to make a film is hard, especially deciding to become a director. It is hard to earn money in Turkey’s film industry so it is not the most secure job. It feels like an empty dream, as I cannot shoot this film without the ministry of culture’s approval and funds.
However, Güvercin will now proceed to be shown at the Sofia Film Festival and some other film festivals around the world are interested as well, which we are happy about.

The movie is very visual creating an atmosphere rather than telling a story or specific plot. Why did you choose to tell the story in such an atmospheric way?
I did not just want to tell a story, I wanted the audience to feel it. You can only achieve this by creating a specific atmosphere, since you cannot put a smell in the movie. It is more important to hear the story rather than seeing it.

We realized that especially in the beginning with the birds flapping their wings. Did you have to prepare yourself differently to capture the pigeons in the best possible way?
We had the actual bird breeder - pigeon trainer actually - on set. So whenever we wanted the birds to land, we had him standing behind the camera telling them to come there. It was quite hard in the beginning because the birds did not trust the big black reflecting box of a camera. The first few times they did not come close enough. So, we first had to shoot some other scenes in the birds’ natural habitat where they felt comfortable, in order to get them used to the camera. Only then we were able to shoot the rest.
Maverdi, Yusufs favourite, was actually only bred for four months at the time we were shooting and we got her when she was only two months old. The scenes between Yusuf and Maverdi are the most valuable ones for me because they capture the true love between them. Kemal, in fact, is a great actor and I truly appreciate his work. He is hard working and actually happens to be an old friend of mine.

There is an over-presence of the colour blue, especially in the beginning. Is there a reason for that?
You are actually the first to realize and ask me this. So, I graduated from the Art painting school. Having this experience in mind I wanted to put blue colours in the background and use warm colours, like skin tones or red, for the foreground to create more depth as a perspective means. However, blue is also my favourite colour.

Thank you so much for this interview! It was a pleasure talking to you!

1st March 2018, Sarah Gosten

INTERVIEW - LES FAUX TATOUAGES


After the screening of “Les Faux Tatouages“ we met with the two protagonists Rose-Marie Perreault and Anthony Therrien for a short interview. They gave us an exclusive insight into the shooting process as well as their opinion on the similarities between their characters and their own personalities.

fGR: Why did you two audition for the movie in the first place?
Anthony: Well, I guess that’s because it’s kind of our job to do so (laughing). Also because Pascal actually asked us to do the audition first.

fGR: So, you knew him before?
Anthony: Yeah, well I didn’t knew him personally but when I went to the audition we first met and we had coffee together and we talked. And then he gave me the part. I met Rose-Marie on an other set, and I told her you have to audition for that, and then she went to the audition and –
Rose-Marie: Well, I was not supposed actually to audition because I was two years older than what Pascal imagined.

fGR: How old are you?
Rose-Marie: I’m 22, and he imagined the girl to be more like 18 years old. But we really got along together shooting another project, so I asked my agent ‘can you just ask this guy if I could pass the audition’ and it worked.

fGR: Do you find parts of yourselves in your characters?
Anthony: Of course. Théo is not a mean person or what so ever but there are some things about Theo that I like and some I awfully hate. But over all it’s a great character. But I personally love a lot of things about her character Mag.

Rose-Marie: Yeah, she is very free spirited and self-confident. She is probably more self-confident than I am (laughs). She is very outgoing also, she just goes in life the way she wants to.

fGR: Do you have any real tattoos?
Anthony: Umm, I don’t (laughs). We don’t even have tattoos right? But, yeah, eventually I think.. 

Rose-Marie: I’d go to Europe before having a tattoo.. 

Anthony: Right, exactly. Its’s actually the opposite of Mag’s character (as it is said in the movie). It’s rather travel than having tattoos.  

fGR: Do you know, what you would get?
Anthony: Oh that’s a good question! I don’t actually know. Probably something related to a movie or a book that I like.

Rose-Marie: I’m a bit scared of tattoos I think I wouldn’t want..

Anthony: … are you scared of needles?

Rose-Marie: No, not of needles but the fact that having something on your body for your whole life… It scares me.

Anthony: Yeah, it’s a thing! (both laughing)

fGR: Do you like to portray such tough characters or do you rather portrait shy ones?
Rose-Marie: I don’t think I have a preference but what I like is doing something that is not too close to my personality.  And also having to change physically like really dress up as the characters. So, this is fun like you put on your costume, and you already feel different.

Anthony: I think it’s kind of the same for me. I mean, of course I’ve been casting mainly for drama movies since I started. Now, this one is kind of a more light, romantic comedy. It’s kind of an easy-going movie. So, of course I like both but if I had to choose I’m more of a comedy-guy, I like doing funny stuff. So, I don’t have any preferences, too. Any part that I like, I would say. 

fGR: So, this movie wasn’t your first one for both of you?
Anthony: No, it wasn’t our first.

fGR: What did you do before?
Anthony: I came here with a movie, 4 years ago, with Corbo. And I did a couple of other movies from Montreal. Maybe that hasn’t travelled like Corbo or Les Faux Tatouages but yeah I did other movies and so did you.

Rose-Marie: Yes, I did some TV shows and some movies, but this was my biggest role like in terms of the time on screen…

Anthony: …and you killed it! (laughing)

fGR: Yes, you did! You both did!
What did you have to do in the audition? Was there a certain task you had to accomplish?

Rose-Marie: The audition scene was the first scene in the restaurant where Théo and Mag meet, this very long scene, which is quite nice because we could like get to know each other..

Anthony: It was actually just a part of that scene, and then he (meaning Pascal Plante, the Director) was like ‘after those lines are done you can just go and do improv’. So, we were like ’oh okay, let’s do it’, and as I said actually I didn’t have an actual audition. It was a meeting with Pascal, and he saw some of the things that I did before. So, he kind of knew how I could play. I mean, of course there were a few lines I had to read like for an audition (fingerquotes) but that wasn’t a big deal. But your audition was quite tough, and you actually did really well..

Rose-Marie: Yeah, because I like improvisation. And since we knew each other and our humor and everything it was easier to just like be..

Anthony: Yeah, exactly we had that connection from the start. So, you know you could just like actually just play around and that stuff (laughing)

fGR:  Do you think like hypothetically that you characters could have started a distant relationship in the movie?
Anthony: I would say yes. I think that is what the movie does actually. But also what I love about this movie is that it doesn’t actually ends super well but it doesn’t actually ends super bad either. So, you have those like possibilities where you can just pick which one you want.

Rose-Marie: Yes, and when they spent their months together they never say I love you. They are not committed as a couple. They could have tried to keep some kind of connection but it’s also beautiful that they don’t for a while, and then she called him back, I think it’s more special.

Anthony: I think that the fact that they could have kept contact with each other would have been also very painful. So you know, when they said goodbye it was done. And they knew it from the start, so it’s kind of an easier thing to do then if I had to like just leave in the morning.

fGR:  Where do you both come from? From Montreal?
Anthony: Yeah. Well, I’m from a suburb of Montreal. But I’m Montrealer, I was born in Montreal.

Rose-Marie: I’m from a smaller city maybe two hours away from Montreal. But I lived in Montreal for the last five years.

fGR:  Rose-Marie, do you actually like Beyoncé’s “Single Ladies” song?
Rose-Marie: Not really. If I had to say 5 singers I like, I wouldn’t say Beyoncé. I don’t hate her but she is not part of my background. 

fGR: What kind of music are you listening to?
Anthony: Such different styles. Actually my brother listens to country, so I listen to country with him. And then I listen to rap with my friends and to rock with my father. So, I’d say any type of music.

fGR: One last question: Does this „malamute“ you’re talking about in the movie really exist?
Anthony: Oh yeah, sure. It’s this big dog from Alaska. It’s a real thing. You can google it, it will definitely become your new favorite animal! (both laughing)


Thank you for this interview.



27.02.2018, Vivien Krüger & Moritz Palma

„Wir sind wie der Joghurt hier, unser Verfallsdatum ist am 20.“


Mit Theo und Mag treffen zwei Charaktere aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Er ist eher schüchtern und in sich gekehrt, während Mag sehr kontaktfreudig, direkt und kommunikativ ist. In der Szene, in der die beiden das erste Mal aufeinander treffen, lernen sich nicht nur Mag und Théo, sondern auch Anthony und Rose-Marie, die Schauspieler von "Les Faux Tatouages", das erste Mal kennen. In einem ungewöhnlich langen Take von achteinhalb Minuten ist nur der Beginn vorgegeben, der Rest ist improvisiert und „echtes“ Kennenlernen.

Im Laufe des Films verfolgt der Zuschauer, wie die Beziehung der beiden wächst und sie immer vertrauter miteinander werden. Das hat zur Folge, dass auch Theo viel aufgeschlossener und unbeschwerter wirkt als zuvor. Neben diesen langen Takes und Weitwinkelperspektiven, setzt der Regisseur Pascal Plante Akzente durch die Farbgebung. In den Szenen, in denen es Theo gutgeht und er mit Mag zusammen ist, sind die Töne sehr hell, klar und rötlich gehalten. Wenn Theo allerdings nach Hause kommt, wechseln die Farben in dunklere schwarz-weiß Töne, die die Atmosphere, die bei ihm Zuhause herrscht, widerspiegeln. Auch, wenn Théo zu seiner Mutter kein sonderlich gutes Verhältnis zu haben scheint, geht er mit seiner Schwester sehr unbekümmert und ehrlich um. Die Kolorierung war Plante, wie er im anschließenden Publikumsgespräch erzählt, äußerst wichtig. Als in einer Szene zufällig ein blaues Auto vorbei fuhr, ließ er sie allein aufgrund der unpassenden Farbe neu drehen.

Auch die musikalische Inszenierung wird voll ausgeschöpft. Ob punkige Rockmusik, Popmusik von Beyoncé, französische Chansons oder eingängige Blues-Songs -es ist für jeden Musikgeschmack etwas dabei. Auffällig ist, dass auch die beiden Protagonisten hauptsächlich T-Shirts von verschiedenen Bands tragen.

Nach und nach kommt der Zuschauer auch Théos Vergangenheit auf die Spur. Seit einem gemeinsamen Autorennen, das ganz zu Anfang des Films angedeutet wird, sitzt sein Freund Kevin im Rollstuhl. Allerdings stellt der Regisseur den persönlichen Hintergrund von Theos Charakter bewusst nicht in den Mittelpunkt. Der Hauptfokus liegt nach wie vor auf der Romanze zwischen Mag und Theo.

Plante zeichnet mit seinem Film keinesfalls eine klischeehafte, idealisierte Liebesgeschichte. Er legte großen Wert darauf, eine zeitgenössische und universale Liebesgeschichte zu erzählen, die dem Publikum die Möglichkeit gibt, zu reflektieren. Dies wird auch durch die flüssigen, natürlichen Dialoge deutlich. Ebenso durch die Sprache, die bestehend aus einem mit englischen Vokabeln durchzogenen Französisch wahrheitsgetreu an die Jugendsprache in Montreal angelehnt ist. Da beide Schauspieler gebürtig aus der Nähe Montreals stammen, fiel es ihnen ganz besonders leicht, die Dialoge zum Leben zu erwecken. Auch die Chemie zwischen den beiden war von Anfang an vorhanden, weswegen viele Szenen verhältnismäßig schnell abgedreht werden konnten -was bei einem Low-Budget-Film kein unwesentlicher Faktor ist.

Den Rahmen der Handlung bildet Daniel Bélangers Chanson „Sèche Tes Pleurs“, den Mag in einer der ersten Szenen für Théo auf der Gitarre spielt und dazu singt und in der letzten Théo für sie. Die Tattoos selbst sind kaum Bestandteil der Handlung. Bis auf das unechte Klebe-Tattoo, das Mag auf Théos Arm bemerkt und das Tattoostudio, in dem Théo gegen Ende des Films aushilft, gibt es keine weiteren Referenzen. Wie uns die beiden im anschließenden Interview erzählen, haben sie tatsächlich kein einziges Tattoo. Für Rose-Marie („Mag“) ist die Vorstellung, etwas auf ihrem Körper zu haben, das nie wieder abgeht, sogar sehr despektierlich.

Abschließend ist zu sagen, dass Regisseur Pascal Plante genau wusste, was er wollte und stets eine sichtbar genaue Vorstellung davon hatte, wie sein Film zu sein hat. Die Schauspieler hat er bewusst nur zu einem bestimmten Grad improvisieren lassen, um Natürlichkeit und Authentizität zu bewahren.

In Anlehnung an seine eigene Jugend hat er es geschafft, ein intimes Bild von der flüchtigen Beziehung zweier gegensätzlich anmutender Charaktere zu zeichnen.



Vivien Krüger, 26.02.18

Die Preisträger der diesjährigen Berlinale - KPlus


Auch bei Generation KPlus wurden nun die Gewinnerfilme gekürt. Es gab im diesjährigen Festivalprogramm insgesamt 14 Langfilme und 19 Kurzfilme zu bestaunen. Wie die beiden Jurys nun entschieden haben, könnt ihr hier, in der gleichen Reihenfolge wie in der Preisverleihung vergeben, aufgeführt sehen.


Internationale Jury


Kurzfilm

Lobende Erwähnung: Cena d’aragoste

Geldpreis: Jaalgedi


Feature Film 

Lobende Erwähnung: Allons Enfants


"Als Erwachsene sind wir immer besorgt, weil wir alle Dinge sehen, die passieren könnten. Aber Kinder machen sich keine Sorgen, sie sind fantasievoller und optimistischer. Tatsächlich denke ich, dass der Film optimistisch ist; denn er zeigt uns, selbst wenn die Situation kompliziert ist, schau dir die Kinder an; sie leben, sie sind einfach voller Leben." - Stéphane Demoustier, Regisseur (zur Kritik)



Geldpreis: Sekala Niskala


"Es ist, als wäre der ganze Film wie ein Lied. Es gibt keine Geschichte, es ist mehr ein Versuch, die Gefühle der Protagonisten zu beschreiben. Der Versuch diesen Moment einzufangen und mit Bild, Tanz und Musik festzuhalten. Der Moment zwischen Realität und Traum, zwischen Leben und Tod."
- Liv (zur Kritik)






Kinderjury


Kurzfilm

Lobende Erwähnung: Snijeg za Vodu

Geldpreis: A Field Guide to Being a 12-Year-Old Girl


Feature Film

Lobende Erwähnung: Supa Modo 

"Berührend von der ersten Minute, schafft dieser Film es, sein Publikum in den Bann zu ziehen. Die Heiterkeit über die Freude, die Jo beim Superwoman-Spielen verströmt, schafft es nicht ganz, die drohende Gewissheit über ihr Schicksal vergessen zu lassen. So wird man bereits zu Beginn des Filmes davon überwältigt. Doch genau das ist gewollt. Jos unglaublich ansteckende Entzückung steht im Kontrast zu der Traurigkeit, die jeden überkommt, wenn er an ihre Zukunft denkt." - Sarah (zur Kritik)

Geldpreis: Les rois mongols


"Der Film beginnt sehr trist und dunkel, wendet sich aber und blüht in herbstlichen Farben und tollen Klängen auf, als auch die Kinder aufblühen und für kurze Zeit genau das haben, was sie sich so wünschen: Eine richtige Familie. Allerdings ist eine erneute Wendung voraussehbar - es scheint so, als ob ein Leben ohne Probleme oder Komplikationen einfach nicht möglich sei. Und so wird der Film auch in seinen lustigen und glücklichen Momenten von einem grauen Schleier der nicht funktionierenden Familie bedeckt, der auch nicht durch allen Eifer und alle Versuchen der jungen Protagonisten für ein glücklicheres Zusammenleben durchbrochen werden kann. " - Clara (zur Kritik)

25. Februar 2018